Wie halten Sie Unsicherheiten aus? Wie meistern Sie Emotionen und Komplexität? - Was helfen kann: Machen Sie sich Ihre damit verbundenen Wahrnehmungen bewusst und ordnen Sie sie ein. Das macht gelassener. Im Interview erklärt Hernstein Trainer Thomas Böhm wann wir der Intuition vertrauen dürfen und wie Führungskräfte Ambiguität und Komplexität bewältigen können.
Warum sind komplexe Situationen für uns so schwierig zu durchschauen?
Thomas Böhm: Eine komplexe Situation verändert sich permanent und ist deshalb schwer erfassbar. Ich nehme Phänomene wahr, kann aber das Problem selbst oder gar eine Lösung dafür nicht erkennen. Das Unterbewusstsein hingegen kann Komplexität besser verarbeiten als mein Bewusstsein. Denn der Mensch hat viel mehr als fünf Sinne, beispielsweise
den Gleichgewichtssinn. Alle beeinflussen unsere Wahrnehmung. Das Unterbewusstsein verknüpft die verschiedenen Sinne – so entsteht Intuition.
Kann man sich auf die Intuition verlassen?
Um die Intuition richtig einzuschätzen, muss ich wissen, dass meine Wahrnehmung oft von Vorannahmen oder Erfahrungen verzerrt oder gar getäuscht wird. Bedürfnisse, Begehren und Emotionen überlagern unsere Wahrnehmungen und damit unsere Entscheidungen. Beispielsweise lässt uns die Angst, etwas nicht zu schaffen, eine Situation bedrohlicher wahrnehmen, als sie ist. Wenn ich mir dieser Angst bewusst bin, kann ich meine Wahrnehmung besser einordnen. Ob ich eine Aussage einer Person als glaubwürdig einstufe, hängt auch davon ab, ob ich die Person bisher als sympathisch und/oder kompetent erlebt habe. Mit Intronautik gelingt es, das, was aus dem Unterbewusstsein als Eindruck aufpoppt, richtig zu interpretieren.
Wie bewältigen Führungskräfte Ambiguität?
Ambiguität ist die Spannung, die aus Unsicherheit, Unüberschaubarkeit und Unplanbarkeit entsteht. Ich kann jedoch lernen, diese Spannung auszuhalten. Führungskräfte verstehen die Welt nicht mehr und sollen gleichzeitig Vorbilder sein. Eine Möglichkeit wäre, alles so anzunehmen, wie es ist, auch wenn ich mich nicht auskenne. Entscheidungen trotzdem mutig zu treffen, auch ohne sie zu durchschauen. Viele neigen nämlich dazu, ständig bei allen Instanzen Rückhalt zu suchen – damit erreichen sie bloß Stillstand statt Dynamik. Oder sie greifen aus lauter Angst nur Lösungen auf, die sich früher bewährt haben. Aber wer sagt, dass diese in neuen komplexen Situationen funktionieren? Selbststeuerung wäre eine logische Reaktion auf Komplexität. Nur muss ich sie dann auch durchziehen und nicht wieder in das hierarchische System zurückfallen, wenn es brenzlig wird. Das Problem ist, dass Organisationen jegliche Unsicherheit ausschalten möchten – was niemals gelingt. Der Unsicherheit können wir nur mit Mut und Gelassenheit begegnen.
Und wie schaffe ich das?
Stelle ich mir vor, auf einer Chaoswelle zu surfen, statt von ihr mitgerissen zu werden, fühle ich mich der Situation wieder gewachsen. Ich spreche mit solchen Bildern mein Unterbewusstsein an, das ja wiederum mein Denken beeinflusst. Allein das Bild des Surfens wirkt beruhigend auf den gesamten
Organismus.
Wie gehe ich mit Ängsten im beruflichen Alltag um?
Welche Stimme spricht aus mir, wenn ich bei einem Projekt den Eindruck habe: "Das ist eine gefährliche Situation." Lehne ich den Kunden ab? Bin ich überfordert, weil ich private Probleme habe? Oder ist es Angst? Die Befürchtung dahinter könnte sein: "Was da alles wieder schiefgehen kann!" Dieser Satz erzeugt sofort Bilder im Kopf, die meinen Körper schon auf dieses Szenario vorbereiten. Der Körper entscheidet nicht zwischen echter oder eingebildeter Bedrohung. Im Kopf entsteht ein "Befürchtungskino". Reflexion und Mentaltechniken helfen, die Stimmen unterscheiden zu lernen. Anderes Beispiel: Ärger – wo im Körper spüren Sie ihn? Wenn das nächste Mal eine Situation auftritt, in der Sie dasselbe körperlich wahrnehmen, wissen Sie bereits: Es ist die Stimme des Ärgers, die aus Ihnen spricht und Ihre Wahrnehmung möglicherweise verzerrt.
Was kann ich tun, um mich nicht so leicht provozieren zu lassen?
Da hilft die alte Technik, sich eine konkrete Barriere zwischen sich und den anderen vorzustellen, beispielsweise eine Rosenhecke.
Intronautik nach Thomas Böhm
- liefert die Kompetenz, im eigenen Ich navigieren und mit komplexen und dynamischen Umständen im Außen gut umgehen zu können. Dazu sollten Sie sich selbst gut kennen, Ihre Fähigkeiten und auch die Muster und Einflüsse, die Ihre Denkweise und Ihr Verhalten bestimmen. Die Annahme "Mein Kopf steuert mich" stimmt nur bedingt.
- gibt den Blick auf die "roten Knöpfe" frei, die bestimmte Reaktionsmuster auslösen, und hilft, sie zu adaptieren. So können Sie selbst besser führen und sich in fordernden Situationen adäquat verhalten.
- enthält Übungen und Mentaltechniken, um sich bewusst in andere Zustände zu bringen: vom Problem- zum Lösungsdenken, von der Angst zum Mut.
Der Hernsteiner 2/2020 widmet sich dem Schwerpunkt "Emotionale Kompetenz". Wie surft man auf der Chaoswelle? Herz oder Kopf? Wie bleibt man bei sich? Woher kommen Gefühle und wohin gehen Gerüche? Überraschende Antworten und frische Impulse.

Sie führen im oberen Management oder übernehmen eine neue Aufgabe in generalistischer Verantwortung? Wachsen Sie in Ihrer Rolle und lernen Sie den bewährten Hernstein Weg im Führen von Menschen und Unternehmen kennen. Schaffen Sie Raum für innovative Ideen und setzen Sie Ihre Strategie mit modernen Zugängen wirksam um. Der gezielte Einsatz von neuen Denk- und Führungsmodellen unterstützt Sie dabei.