Trotz Überlastung: Wie Führungskräfte effektiver werden
Führungskräfte sagen zu selten Nein, meint Alfred Faustenhammer im Interview mit Gerhard Mészáros. Der Trainer und Coach zeigt drei Wege, wie sich Führungskräfte selbst entlasten und zugleich die eigene Wirksamkeit erhöhen können.
Drei Wege, wie sich Führungskräfte selbst entlasten können
Herr Faustenhammer, jede vierte Führungskraft fühlt sich in der Arbeit regelmäßig ausgebrannt, ergab eine internationale Studie* im Sommer 2022. Was tun gegen diese Überlastung?
Alfred Faustenhammer: Zu viele Führungskräfte beschäftigen sich oft mit den Problemen, die sie ohnehin nicht verändern können. Sie sollten sich vielmehr auf das konzentrieren, worauf sie Einfluss haben: auf sich selbst, ihr Verhalten, ihre Einstellungen. Auf diese Weise können sich Führungskräfte selbst entlasten.
Sie geben Führungskräften vor allem drei Empfehlungen. Der erste lautet: Sie sollen ihre eigene Rolle klarer definieren. Wie kann das konkret helfen?
Nehmen wir ein Beispiel aus meiner Coaching-Praxis. Eine Führungskraft hatte einen Mitarbeiter in einer schweren Lebenskrise im Team. Natürlich kann man verstehen, wenn da die Leistung eine Zeit lang nachlässt. Aber die Führungskraft sollte sich nicht dazu hinreißen lassen, die Rolle des Therapeuten zu übernehmen und jeden Tag für stundenlange Gespräche zur Verfügung stehen. Führung heißt fördern und fordern. Und eines Tages zum Beispiel zu sagen: Es war eine schwere Zeit, aber jetzt sind drei Monate vergangen und es wird wieder Zeit, Leistung zu bringen.
Die eigene Rolle zu definieren bedeutet festzulegen, für welche Aufgaben man zuständig ist und für welche nicht – also manchmal Nein zu sagen?
Genau. Das ist auch wichtig fürs Team: Wenn eine Führungskraft zu viele neue Projekte übernimmt, dann geraten in der Folge auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Überforderung. Man könnte schließlich immer noch mehr machen. Führungskräfte müssen daher Prioritäten setzen. Eine Entscheidung treffen: Darauf konzentrieren wir uns jetzt.
Die zweite Empfehlung lautet, die eigenen Erwartungen anzupassen. Bedeutet das, sich einfach mit weniger zufrieden zu geben?
Es geht in vielen Unternehmen zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr aufwärts. Sie finden nicht mehr eine ausreichende Zahl an gut qualifizierten Beschäftigten. Das führt dazu, dass vielerorts die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sinkt, da weniger Ressourcen vorhanden sind. Führungskräfte erwarten in dieser Situation oft zu viel von sich selbst und machen sich Vorwürfe, dass sie die hohe Qualität von einst nicht halten können. Sie sollten ihre Ziele an die Umstände anpassen: Wie definieren wir, gegeben die Mittel, die wir zur Verfügung haben, eine gute Leistung?
Ihr dritter Ratschlag an Führungskräfte besteht darin, prägnanter zu kommunizieren. Was bedeutet das genau?
Wenn ich meine Rolle enger definiere, dann muss ich diesen Standpunkt auch klar vertreten – auch gegenüber meiner eigenen Führungskraft. Außerdem: Für die meisten Führungskräfte ist die schwierigste Aufgabe, angemessen und direkt Kritik an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu üben. Sie sehen sich selbst gerne als besonders durchsetzungsfähig, aber in der Realität sind sie mit Kritik sehr zurückhaltend, warten zu lange ab, und äußern sie dann nur in sehr vager Form. Wer offen und direkt Kritik übt, erhöht seine Effektivität und die seines Teams. Natürlich muss die Kritik in angemessener Form erfolgen, sich auf das Verhalten beziehen und nicht die Person abwerten.
Führen Ihre Ratschläge dazu, sich weniger gestresst zu fühlen, oder werden Führungskräfte damit wirklich effektiver?
Wenn ich mich auf das Wesentliche konzentriere, dann handle ich effektiver. Es geht darum, sich nicht zu verzetteln. Bei der klaren Definition der eigenen Rolle ist das offensichtlich. Aber es gilt genauso für das Thema Gesprächsführung. Viele Führungskräfte reden lange, ohne etwas zu sagen. Für die meisten Besprechungen gilt: In der halben Zeit könnte man doppelt so viel erreichen. Der größte Hebel, um wirksamer zu werden, ist tatsächlich: nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern auf den Punkt kommen.
Kann Direktheit auch riskant sein?
In schwierigen Situationen, zum Beispiel in Veränderungsprozessen, sollte man genau abwägen, welche Informationen man weitergibt. Führungskräfte haben eine Verantwortung für eine Organisation übernommen und dafür, dass eine bestimmte Leistung für die Kundinnen und Kunden erbracht wird. Ich war als Führungskraft selbst einmal in so einer Situation: Es war geplant, ein Tochterunternehmen zu schließen. Ich musste das sehr vorsichtig kommunizieren, damit die Beschäftigten nicht das Unternehmen verlassen und wir weiterhin unsere vertraglichen Verpflichtungen erfüllen können.
*In diesem Leadership-Report befragte SS&C Blue Prism 1.000 Unternehmensentscheider in Europa und Nordamerika aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Regierung, Gesundheitswesen und Fertigung.
Buchtipp
In seinem – im Oktober 2023 veröffentlichten – Buch gibt Führungskräftetrainer und Coach Alfred Faustenhammer noch mehr Tipps.
Alfred Faustenhammer
Weniger tun, mehr bewirken! Wie Sie sich als Führungskraft entlasten und gleichzeitig mehr erreichen
Wiley-VCH; 2023