Gruppendynamik in virtuellen Teams
Sie möchten die virtuelle Gruppendynamik stärken? Wichtig dabei: Kamera an, damit Sie als Führungskraft auch nonverbale Signale wahrnehmen. Außerdem ist wesentlich, alle Teammitglieder ins Gespräch einzubinden. Wie Sie dabei am besten vorgehen? Lesen Sie mehr im Interview mit Nina Halder-Schüssel.
Auch wenn Menschen virtuell zusammenarbeiten, bleiben sie Menschen. Und auch in virtuellen Teams finden gruppendynamische Prozesse statt – es bilden sich Subgruppen, unterschiedliche Interessen treffen aufeinander, Widerstand entsteht. "Für Führungskräfte ist es wichtig, diese Prozesse im Auge zu behalten und zu wissen, was in ihrem Team passiert", sagt Nina Halder- Schüssel, die gemeinsam mit Maria Spindler das Seminar "Virtuelle Team- und Gruppendynamik" leitet. Die Weiterbildung ist eine Ergänzung des Klassikers "Hernstein Gruppendynamik" und richtet sich an alle, die viel virtuell führen.
So schärfen Sie die Wahrnehmung für gruppendynamische Prozesse
"Viele Führungskräfte sind damit überfordert, aus dem Homeoffice heraus mit ihrem Team in Kontakt zu bleiben", sagt Halder-Schüssel. Dabei gibt es ein paar einfache Tricks, um die Wahrnehmung für gruppendynamische Prozesse zu schärfen. So rät die Trainerin etwa, bei Jours fixes des Kernteams darauf zu bestehen, dass jeder die Kamera einschaltet. Viele Mitarbeitende wollen das nicht. "Aber hier geht es nicht um Wollen. Als Führungskraft habe ich das Recht, zu sagen, dass mir das wichtig ist." So hätte man die Chance, zumindest einige nonverbale Signale mitzubekommen, ein bisschen mehr Informationen zu erhalten, wie es den Mitarbeitenden geht.
Lieber keine Monologe
Mindestens ebenso wichtig sei, das Risiko einer Einbahn-Kommunikation zu vermeiden. In virtuellen Gesprächssituationen sei es typisch, dass die Führungskraft Informationen präsentiert und dann – nichts passiert. Das passive Verhalten des Teams führe dazu, dass weder Feedback artikuliert wird noch neue Ideen auf den Tisch kommen. "Führungskräfte sollten daher ein Meeting-Design anwenden, dass von Anfang an zu Beteiligung einlädt", so Halder-Schüssel. So könne man einen Jour fixe oder Workshop mit einem Steuerungs-Feedback starten: Das Team wird in kleine Gruppen aufgeteilt, die dann in virtuellen Gruppenräumen vorgegebene Fragen diskutieren. Etwa: Was ist mir in der vergangenen Woche gut gelungen? Was war schwierig? Was ist mir für das Meeting wichtig? Die Ergebnisse werden dann der Gesamtgruppe präsentiert. "Damit sind automatisch alle in einer aktiven Rolle", sagt Halder-Schüssel. "Und als Führungskraft habe ich so mehr Möglichkeiten, gruppendynamische Prozesse wahrzunehmen."
Autonome Individuen, unreife Teams
Wenn Teams virtuell zusammenarbeiten, gibt es weniger Berührung zwischen den Teammitgliedern. Wie wirkt sich das auf mögliche Konflikte aus?
Nina Halder-Schüssel: Wenn sich zwei Personen schwer miteinander tun und gleichzeitig gut unabhängig voneinander arbeiten können, gibt es vermutlich weniger Konflikte zwischen ihnen. Hier bietet das Homeoffice durchaus einen Vorteil. Schwieriger ist es, wenn das Team auf gemeinsame, kreative Prozesse angewiesen ist. Gleichzeitig eskalieren bestehende Konflikte langsamer, weil man Probleme länger mit sich selbst, im stillen Kämmerlein ausmacht. Das ist aber nicht unbedingt ein Vorteil. Denn je länger ein Konflikt nicht thematisiert wird, desto stärker wird er.
Wie verändert sich die Führungsaufgabe in virtuellen Teams?
Das Vertrauen in die Mitarbeitenden ist während der Pandemie stark gestiegen. Die Individuen sind deutlich autonomer geworden, weil die permanente Kontrolle durch die Führungskraft schlicht nicht möglich war. Das hat überraschend gut funktioniert. Aber während das Individuum autonomer wurde, wurde die Gruppe nicht unbedingt reifer, nicht kompetenter in Sachen Selbststeuerung. Die Führungskraft ist daher gefordert, die Teammitglieder in Beteiligung zu bringen. Aber letztlich ist die Entwicklung der Gruppe – das Bearbeiten von unterschiedlichen Interessen, das Ausbilden eines Gefühls von Zusammengehörigkeit – im virtuellen Raum nur begrenzt möglich.