Werte sind die beste Strategie - 3 Wertekategorien nach Frankl
Was können Sie von Viktor Frankl für Ihre Führungsarbeit lernen? – Eine Menge. Denn seine 3 Wertekategorien "Schöpferische Werte", "Erlebniswerte" und "Einstellungswerte" nimmt er als Basis für sinnvolles Handeln an. Und: Sie richten den Fokus auf das Wesentliche. Denn aus einer Haltung der Ruhe und Konzentration entstehen wirksame Lösungen.
Fokus auf das Wesentliche
Wenn alles drunter und drüber geht, gesellschaftlich, wirtschaftlich und persönlich, ist eine der üblichen strategischen Antworten: "Wir müssen uns noch mehr anstrengen. Schneller, höher, weiter lässt uns die Krise überwinden!" Diese Antwort wird einige zum Ziel führen, viele leider nicht. Setzt man nur auf die Optimierung von Kennzahlen, verbrennt man die Kreativität und Innovationsfähigkeit von Menschen. Aber gerade heute brauchen wir furchtloses Denken und Fühlen "über den Tellerrand", um die vielfältigen Herausforderungen souverän bewältigen zu können. Nur aus einer Haltung der Ruhe und Konzentration können wirksame Lösungen entstehen. Krise macht Angst. Werte fokussieren auf das Wesentliche und bringen neue Sicherheit und Energie. Daher ist die Besinnung auf unsere Werthaltungen und deren innere Kraft ein wichtiger Treiber, um nachhaltige und erfolgreiche Strategien zu entwickeln.
Werte bringen Orientierung
Von Anbeginn der Zeiten haben Menschen aller Kulturen ihre Überzeugungen und Werte als Orientierungsmaßstab genutzt. Sie sind eine der wichtigsten Grundlagen, um einzuschätzen, was wir für richtig oder eher falsch halten, was wir als angenehm oder unangenehm empfinden. Werte entstehen im Inneren einer Person und werden je nach Umfeld, Biografie und persönlicher Erfahrung geformt. Sie bilden die Basis für unser ethisches, moralisches und sinnerfülltes Handeln. In Organisationen bilden Werte das Fundament für die Unternehmenskultur, im gesellschaftlichen Kontext zeigen sie sich in den Gebräuchen und Sitten der jeweiligen Landeskultur.
Werte sind subjektiv und schwerer zu erfassen als die objektive Welt des Sichtbaren und Greifbaren. Vielleicht gerade deswegen führen sie oft zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, wie wir auf persönlicher, unternehmerischer und globaler Ebene beobachten können. Wenn also unterschiedliche Werthaltungen unsere heutige Weltsituation mitbestimmt haben, dann können sie auch – sinnvoll formuliert und richtig eingesetzt – die beste Strategie zur Bewältigung von aktuellen Herausforderungen sein.
Für Organisationen und ihre Führungskräfte bedeutet das, dass sie in der Krise besonderes Augenmerk auf ihre persönlichen Werthaltungen und auf ihre Unternehmenskultur richten müssen. Ihre gelebten Werte werden maßgeblich mitentscheiden, ob ein Unternehmen langfristig Bestand hat oder nicht. Werte sollten daher in schwierigen Situationen nicht als "Soft Facts" und "psychologisches Beiwerk" über Bord geworfen werden. Vielleicht sind sie ja genau die Planke, die alle vor dem Untergang rettet. Im besten Fall sind sie sogar das Boot und das Ruder, das den sicheren Hafen erreichen lässt.
Viktor Frankl: Werte für nachhaltigen Erfolg
Kein anderer hat es besser verstanden und auch selbst erlebt, Überlebensstrategien mit Werthaltungen zu verbinden, als der österreichische Arzt und Psychotherapeut Prof. Dr. Viktor Frankl (1905–1997, 39 Bücher, 29 Ehrendoktorate). Sein berühmtestes Buch ist sein 1946 erschienener Bestseller "...trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager", der weltweit 12 Millionen Mal verkauft wurde. In diesem Werk erzählt Frankl seine dramatische Lebensgeschichte im 2. Weltkrieg und legt dar, wie es unter widrigsten Umständen gelingen kann, mit Sinn und Werten allem Chaos standzuhalten. Ich selbst durfte Viktor Frankl im Jahr 1990 im Zuge meiner Logotherapie- und Existenzanalyse-Ausbildung kennenlernen; eine Erfahrung, die mich bis heute begleitet und prägt.
In seiner "Höhenpsychologie" beschreibt Frankl vor allem 3 Wertekategorien als Basis für sinnvolles Handeln: schöpferische Werte, Erlebniswerte und Einstellungswerte. Wenn also Organisationen, ihre Führungskräfte und ihre Teams Höhenflüge erleben wollen, ist es die Umsetzung dieser Wertedimensionen, die ihnen nachhaltigen kulturellen und materiellen Erfolg bringt.
3 Wertekategorien als Basis
1. Schöpferische Werte: Handeln aus innerer Kraft
Schöpferische Werte umfassen jene Themen, die ein Mensch aus sich selbst heraus verwirklichen will. Im Organisationsumfeld zeigen sie sich unter anderem in unternehmerischem und innovativem Handeln, zum Beispiel in der Entwicklung und Umsetzung von neuen Ideen, Projekten, Produkten etc.
Führungskräfte, die sich ihrer eigenen Werte bewusst sind, haben einen enormen Vorteil in der Führung ihrer Mitarbeitenden, vor allem in herausfordernden Situationen und unruhigen Zeiten. Diese Bewusstwerdung gelingt, wenn sie aus ihrer eigenen Biografie und aus der Analyse verschiedenster Wertedimensionen ihre eigenen Werthaltungen ableiten. Wenn sie anschließend ihre Werte, ihre Motive und ihre Sinn-Logik anderen transparent machen, bewirken sie in ihrem beruflichen Umfeld mehr Verständnis für ihr Tun, stiften Orientierung und Sicherheit. Es entsteht Raum für innovative Strategien, statt in althergebrachten Mustern und Routinen zu verharren.
Beispielsweise war für einen neu eingesetzten Chef im begleitenden Executive Coaching die wichtigste Frage, wie er in turbulenten Zeiten sein Team zu mehr eigenverantwortlichem Handeln und kreativeren Lösungen führen könnte. Das alteingesessene Team war es gewohnt, nur nach Anweisungen zu arbeiten. Erst als er offen seine persönlichen Werte von Selbstverantwortung und positiver Fehlerkultur kommunizierte und aktiv vorlebte, konnte er mit seinem Team einen zukunftsfähigen Arbeitsstil umsetzen.
2. Erlebniswerte: Eine stimmige Unternehmenskultur
Erlebniswerte beziehen sich auf jene Wertedimensionen, die Menschen in ihrer Beziehung zur Umwelt und zu anderen Menschen leben. Jeden Tag bewegen wir uns in verschiedenen Situationen und werden durch diese immer wieder zu Reaktionen aufgefordert. Die entscheidende Frage dabei lautet: Welche Werte kommunizieren wir und welche setzen wir tatsächlich in unserem Handeln um?
Organisationen veröffentlichen ihre Werthaltungen vor allem in ihren Leitlinien, ihrem Wertekanon und in ihren Verhaltensrichtlinien. Die Außenwelt erfährt von ihrer Unternehmenskultur durch Webseiten und Social-Media-Accounts. Die Innenwelt wird durch Werte-Workshops, Plakate, Broschüren und Merkkärtchen immer wieder daran erinnert. Am erfolgreichsten sind jene Organisationen, in denen die Werthaltungen der Führungskräfte und Mitarbeitenden den Unternehmenswerten entsprechen. Dadurch werden Motivation, Sinnbezug und Energie wie in einem Laserstrahl gebündelt und es entsteht ein gemeinsamer, starker Zug zum Ziel.
In mehreren Workshops zur Praxistauglichkeit von Leitwerten wurde dies besonders deutlich. Waren bisher die Unternehmenswerte von oben nach unten diktiert worden, wurden dieses Mal alle Führungskräfte und Mitarbeitenden aufgefordert, die bisherigen Werte auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. Zur Überraschung der Geschäftsleitung hatten alle Teilnehmenden einen sehr klaren und professionellen Blick auf ihre Unternehmenskultur und formulierten sogar nützlichere und attraktivere Werte. Indem das Top-Management auf diese Vorschläge einging und die Leitwerte reformuliert wurden, erhielt die gesamte Organisation einen neuen Motivationsschub.
3. Einstellungswerte: Umgang mit dem Unvermeidlichen
Die Beschreibung der Einstellungswerte ist ein besonderes Verdienst von Viktor Frankl. Er macht uns darauf aufmerksam, dass wir als Menschen immer einen freien Willen besitzen, auch unter den widrigsten Umständen. Es gibt Bedingungen, die wir nicht verändern können. Aber wir können uns immer entscheiden, welche Haltung wir zum Unvermeidlichen einnehmen – und so handlungsfähig bleiben. Zum Beispiel gegenüber privaten Schicksalsschlägen oder, im Unternehmenskontext, gegenüber Ereignissen wie einer Weltwirtschaftskrise, Börsenstürzen, einer Rohstoffknappheit, der Energiekrise, dem demografischen Wandel oder dem Fachkräftemangel. Indem wir das Unvermeidliche annehmen – aber nicht in einer passiven Haltung, sondern in einer aktiven Auseinandersetzung –, wächst unsere innere Kraft. Gerade in herausfordernden Situationen werden unsere Werte sichtbar: in unserem Handeln, in unserer Kommunikation, in unseren Beziehungen, in unserem Stressverhalten, in unseren Entscheidungen. Sind diese Werte geeignet, uns einen Ruhepol, eine stabile Zone zum Aufladen unserer Energie zu verschaffen, damit wir sinnvolle und innovative Strategien entwickeln können? Wenn ja, dann haben wir schon gewonnen.