Leadership Magazin
Der Hernsteiner 2/2021 widmet sich dem Thema "Unternehmenskultur". Was ist der Sinn des Sinns? Und warum steht er bei manchen Pyramiden ganz oben? Was lässt Hochzeiten im Himmel scheitern? Und wie geht Unkultur?
Scrum ist eine Methode des agilen Projektmanagements, mit der Teams in komplexen Situationen leistungsfähig bleiben. Aber was sind eigentlich die Prinzipien von Scrum? Und was bringt das für das Remote Führen? Agile Coach und Hernstein Trainer Max Winkler erklärt im Interview, welche 5 Scrum-Werte Leader unbedingt brauchen, um eigenverantwortlich handeln zu können und sich selbst zu managen – und all das noch dazu überaus erfolgreich.
Herr Winkler, Sie erklären im Hernstein Training "New Normal Leadership" gemeinsam mit Stefan Doblhofer, wie Führung auf Distanz funktionieren kann. Was benötigen Teams, um einen Umstieg ins Homeoffice gut zu bewältigen?
Max Winkler: Im ersten Seminar hatten wir mit großen technischen Problemen zu kämpfen. Manche Teilnehmenden konnten aufgrund ihrer Sicherheitseinstellungen nicht einmal ihre Kamera öffnen. Ich war Unternehmen wie Runtastic gewohnt, die schon davor regelmäßig Videokonferenzen abgehalten hatten. Doch auch solche technisch fitten Unternehmen mussten neue Dinge lernen. Denn die Technik ist wichtig, aber nicht alles: Emotionen können online nur schwer geteilt werden, das ist aber notwendig, damit ein Team aus Menschen gut zusammenarbeitet. Online-Meetings benötigen daher eine professionelle Moderation, die das ermöglicht, was im Büro von selbst passiert: neben dem zweckorientierten Zusammenarbeiten auch menschliche Nähe und echten Austausch. Agile Teams bei Runtastic haben während der Pandemie sogar einen eigenen Online-Termin eingeführt, der dem bloßen Plaudern dient. Jeden Tag eine halbe Stunde, die Teilnahme ist freiwillig – aber die Möglichkeit wird gern genutzt.
Beeinflusst die Unternehmenskultur die Erfolgsaussichten von Remote Leadership?
Ja, wobei Führungskräfte die Unternehmenskultur auch maßgeblich selbst beeinflussen, indem sie als Vorbild dienen. Ich habe gemerkt, dass gut eingespielte Scrum-Teams besser mit der Situation umgehen und auch auf Distanz reibungsfrei weiterarbeiten konnten. Denn Scrum ist nicht nur eine Methode für agiles Projektmanagement, sondern beruht auf einer bestimmten Kultur: Führungskräfte sind es gewohnt, dem Team einen großen Entscheidungsspielraum zu lassen und sich selbst ein wenig zurückzuziehen. Agile Teams arbeiten selbstverantwortlich und managen sich selbst. Und genau das ist auch notwendig, wenn alle im Homeoffice arbeiten. Denn auf Distanz hat man noch weniger Kontrolle als im Büro. Außerdem ist das Führen mit mehr Aufwand verbunden: Jedes Gespräch muss extra geplant werden. Ich muss mich mehr um den einzelnen Mitarbeitenden kümmern, ob er einen vernünftigen Arbeitsplatz hat, ob er mit der neuen Situation zurechtkommt. Das lässt weniger Zeit für die Mitarbeit im operativen Geschäft.
Macht der Wechsel ins Homeoffice Unternehmen automatisch agiler?
Nein, aber sie sollten eine agile Kultur vorantreiben, um weiterhin erfolgreich zu sein. Dabei können sie sich an den 5 grundlegenden Scrum-Werten orientieren, die das eigenverantwortliche Arbeiten erst ermöglichen.
Als Führungskraft muss ich alle Teammitglieder dazu einladen, bereitwillig ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Wir werden in Zukunft immer weniger Mitarbeitende haben, die sich einfach etwas anschaffen lassen. Gerade auf Distanz sollte ich das beachten: Denn im Homeoffice ist es im Fall eines Streits schwieriger, wieder einen Konsens herzustellen.
Ich nehme den anderen ernst und höre ihm wirklich zu, anstatt Vermutungen anzustellen, was in ihm vorgeht. Gerade im Homeoffice weiß ich schlicht nicht genau, was die Teammitglieder wirklich machen.
Ich muss mich auf das Wesentliche konzentrieren. In Meetings zu sitzen, die mit meiner Arbeit nichts zu tun haben, ist Zeitverschwendung – und im Homeoffice besonders ermüdend.
Ich bin offen für Vorschläge und Experimente, für Veränderungen und neue Tools – und alle haben die Möglichkeit, neue Vorschläge einzubringen. Homeoffice reduziert die Möglichkeiten für "stille Post", die Kommunikation ist tendenziell formaler und direkter.
Ich bin bereit, neue Ideen einfach mal auszuprobieren, zu experimentieren, auch ohne Garantie auf Erfolg.
Was können sich Remote Leader noch von Scrum abschauen?
Sowohl in Scrum- als auch in verteilten Teams ist es wichtig, klare Ziele vorzugeben. Aber mit 2 Besonderheiten: Zum einen sollte man in kürzeren Zyklen denken, also etwa Ziele für die nächsten 2 Wochen definieren, nicht für das nächste halbe Jahr. So kann ich als Führungskraft besser im Auge behalten, was mein Team im Homeoffice wirklich macht. Zum anderen sollte ich das Was sehr gut definieren, aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zutrauen, das Wie selbst zu bestimmen. Auch regelmäßige Retrospektiven sind hilfreich: also gemeinsam zu reflektieren, was in den vergangenen 2 Wochen gut gelungen ist und was man besser machen könnte.