Leadership Magazin
Der Hernsteiner 2/2022 widmet sich dem Thema "Werte". Was lehrt uns Viktor Frankl über Leadership? Warum geben wir bei Sonnenschein mehr Trinkgeld? Warum sind Werte so wertvoll? Und warum ist Weglassen so schwierig?
Das Metaverse, die digitale 3-D-Welt, ist in aller Munde und hat das Potenzial, die Art, wie wir arbeiten und lernen, grundlegend zu verändern. Wie es in Unternehmen konkret eingesetzt werden kann? Die Anwendungsgebiete für die virtuelle Zusammenarbeit sind vielfältig, so Unternehmensberater Christian Winkelhofer im Interview. Sein Unternehmen Accenture nutzt Metaverse bereits: für Meetings, Onboardings und Trainings.
Mark Zuckerberg ist ein globales Agenda Setting gelungen: Seit seiner Präsentation auf der Connect-Konferenz im Oktober 2021 heißt Facebook Meta und die ganze Welt spricht vom Metaverse als dem "nächsten Internet". Einige Unternehmen reden jedoch nicht nur über die neue Technologie, sondern nutzen sie bereits – wie die Unternehmens- und Technologieberatung Accenture.
Herr WInkelhofer, Ihre Unternehmensberatung Accenture hat ein eigenes Metaverse namens "The Nth Floor" entwickelt. Was machen Sie dort?
Christian Winkelhofer: Die Idee für unser Metaverse ist während der Pandemie entstanden. Die Reisebeschränkungen machten es erforderlich, virtuelle Alternativen für soziale Kontakte zu finden. Der Einstiegs-Usecase war das Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sollten das Unternehmen kennenlernen, ihre Rolle verstehen, die Kultur spüren – so wie das zuvor im physischen Raum stattgefunden hat. Wir haben ihnen dafür VR-Brillen zugeschickt, samt der dazugehörigen Steuerungselemente, die mit den Händen bedient werden. Damit konnten sie unser Metaverse betreten, in dem wir unter anderem reale Accenture-Büros nachgebaut hatten. Hier kann man sich durch die virtuellen Räume bewegen, sich Vorträge anhören, mit anderen Leuten reden, interaktive Ausstellungen betrachten oder an Lernspielen teilnehmen. Wenn man mit jemandem im virtuellen Raum plaudert, vergisst man fast, dass man sich eigentlich gar nicht am selben physischen Ort befindet.
Wie viele Personen haben an diesem Onboarding bereits teilgenommen?
In den vergangenen 2 Jahren haben wir über 150.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Metaverse begrüßt und dort für sie das Onboarding durchgeführt.
Haben Sie so viele VR-Headsets im Unternehmen?
Die Ausstattung mit der entsprechenden Hardware ist tatsächlich ein Problem. Accenture hat 60.000 Oculus-Headsets von Microsoft gekauft – weil es nicht mehr gab. Damit haben wir jetzt Headsets für knapp 10 Prozent unserer weltweit 700.000 Beschäftigten. Es können also nicht alle gleichzeitig ins Metaverse.
Bill Gates machte im Dezember 2021 eine gewagte Prognose: Innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre würden die meisten virtuellen Geschäftstreffen vom zweidimensionalen Bildschirm ins dreidimensionale Metaverse wandern. Führen Sie auch schon Meetings im Metaverse durch?
Ich glaube, dass Bill Gates grundsätzlich recht hat. Aber die Entwicklung wird wohl noch etwas länger dauern. Bei uns hat sich das globale Führungsteam für einzelne Board-Meetings im Metaverse getroffen. Wir nutzen es fallweise auch für internationale Projektteams, damit sich in der Startphase alle Kolleginnen und Kollegen kennenlernen können, selbst wenn sie an unterschiedlichen Orten arbeiten. Wir führen insgesamt aber noch wenige Meetings im Metaverse durch – vor allem wegen der Ausstattungsfrage. Diese stellt sich auch bei Treffen mit Kundinnen und Kunden: Verfügen sie über VR-Brillen? Und: Sind diese kompatibel mit unserem Metaverse? Derzeit sind nicht alle virtuellen Plattformen mit allen Headsets kompatibel. Erst wenn die Plattformen unterschiedliche Devices zulassen, werden wir ein stärkeres Wachstum durch Netzwerkeffekte – einen größeren Nutzen durch eine größere Anzahl an Nutzern – sehen.
Warum gibt es diese Kompatibilität noch nicht?
Weil derzeit das große Plattformrennen stattfindet. Die Unternehmen, die Metaverse-Plattformen entwickeln – und das sind alle großen Tech-Player, von Meta und Microsoft über Google bis zu Spiele-Entwicklern wie Fortnite oder Grafikprozessoren-Herstellern wie Nvidia –, wollen, dass sich ihre Plattform als die marktbeherrschende durchsetzt.
Wofür verwenden Sie Ihr Metaverse noch?
Wir verwenden es auch für die Weiterbildung. Ich selbst habe erst vergangene Woche ein Leadership-Training im Metaverse besucht. Außerdem muss bei uns jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ein Datenschutztraining absolvieren. Das findet für alle im Metaverse statt, wo man Räume durchwandert und dabei spielerisch Aufgaben löst. Da wir aber nicht genügend Headsets haben, nutzen manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Workaround und nehmen nur via Web-Browser am Computerbildschirm teil.
Welche Vorteile bieten Trainings im Metaverse?
Sie sind sehr effizient. Eine Trainerin oder ein Trainer kann sehr viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleichzeitig betreuen. Oder ich stelle überhaupt ein automatisiertes Training zur Verfügung, das man zu einem beliebigen Zeitpunkt – und beliebig oft – durchlaufen kann. Dabei merkt man sich das Gelernte durch den Erlebnischarakter besser als in einem herkömmlichen E-Learning. Außerdem sind diese Weiterbildungsangebote eine gute Gelegenheit, unseren Beschäftigten das Metaverse greifbar zu machen. Das ist wichtig, denn technologische Entwicklungen beeinflussen die Unternehmensstrategie stärker als politische oder ökonomische Trends. Und das Metaverse wird zukünftig an Gewicht gewinnen, auch wenn wir seine genauen Einsatzgebiete heute noch nicht kennen.