Leadership Magazin
Der Hernsteiner 2/2021 widmet sich dem Thema "Unternehmenskultur". Was ist der Sinn des Sinns? Und warum steht er bei manchen Pyramiden ganz oben? Was lässt Hochzeiten im Himmel scheitern? Und wie geht Unkultur?
Eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das A und O für agile Zusammenarbeit. Allerdings: Selbstverantwortung entsteht nicht von selbst, weiß die Trainerin und Organisationsberaterin Marina Barz. Was es braucht, sind gemeinsame Regeln und Absprachen, die alle Beteiligten einbeziehen. Und ein bisschen Geduld. Dann klappt es auch mit der Eigenständigkeit.
Das "Kühlschrankproblem" kennen wohl alle, die einmal in einer Wohngemeinschaft gelebt haben. Nach einer gewissen Zeit ist er leer und schmutzig und verdorbene Lebensmittel werden auch nicht entsorgt. Diese Dinge regeln sich nicht von selbst, sondern sie benötigen klare Absprachen und Regeln: Wer kauft ein, wer putzt usw. Über das Kühlschrankproblem diskutierten wir kürzlich in einem Seminar. Ein Teilnehmer berichtete, dass seine Abteilung – Teil eines großen Konzerns – seit rund 2 Jahren auf dem Weg in die Agilität sei. Doch er hatte den Eindruck, dass die Entwicklung etwas stockt und die Beteiligten nicht in der Form Verantwortung übernehmen, wie er sich das wünschen würde. Was tun?
Für Agilität braucht es Selbstverantwortung. Doch Selbstverantwortung entsteht nicht von selbst. In einer Abteilung mit 600 Personen gilt das gleiche Prinzip wie in einer Wohngemeinschaft. Rahmenbedingungen und Regeln sind notwendig: regelmäßige Treffen, Entscheidungen, wer für welches Thema die Verantwortung übernimmt, Diskussionen darüber, wer welche Unterstützung benötigt und wer welche Ressourcen zur Verfügung stellen kann, und natürlich eine regelmäßige Reflexion der Zusammenarbeit.
Eine derartige Transformation benötigt aber noch mehr: nämlich ein anderes Menschenbild und eine andere Haltung als in hierarchischen Systemen. So gilt es überzeugt zu sein, dass Menschen motiviert sind, gute Leistungen zu erbringen, Verantwortung zu übernehmen und eigenständig zu arbeiten. Genau daran äußern Führungskräfte immer wieder Zweifel. Erfahrungen wie jene des Seminarteilnehmers scheinen diese Zweifel zu bestätigen. Es gibt jedoch viele Beispiele für gelungene Transformationen. Das zeigt, dass Menschen in hierarchisch organisierten Unternehmen diese Grundeigenschaften bloß abgewöhnt wurden und sie diese neu lernen können.
Im Laufe der Seminar-Diskussion wurde deutlich, dass die Mitarbeitenden zu wenig in den Prozess der Veränderung einbezogen und zu sehr sich selbst überlassen worden waren. Wie in einer Wohngemeinschaft braucht es auf dem Weg in die Selbstverantwortung Regeln, Absprachen, Reflexion – und Zeit, bis sich die neue Form der Zusammenarbeit einspielt.