Neugierig auf Fehler?
Für Karl Weick ist die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, das wichtigste Merkmal von High-Reliability-Organisationen. Verkünden Unternehmen nämlich das Null-Fehler-Prinzip, sollte man misstrauisch werden. Denn dieser unrealistische Anspruch lädt förmlich dazu ein, Fehler zu vertuschen oder, so eigenartig sich das anhört, zu unterlassen. Und das wäre selbst ein Fehler – zumindest wenn man an der Entwicklung einer Gelingenskultur interessiert ist. So unterscheidet denn auch die Harvard-Business-School-Professorin Amy C. Edmondson zwischen vermeidbaren, unvermeidbaren und intelligenten Fehlern, die man tunlichst nicht unterlassen sollte.
Vermeidbare Fehler
Vermeidbare Fehler geschehen aus Angst, Unaufmerksamkeit oder Desinteresse heraus. Den Ursachen dafür könnte relativ leicht Abhilfe geschaffen werden. Vorausgesetzt, diese Fehler werden nicht vertuscht. Was leider naheliegend ist, wenn Begründungen wie „Ich war überfordert“ oder „Die Aufgabe ergibt für mich keinen Sinn“ gefährlich fürs eigene Überleben sind, statt zum Anlass genommen werden, neugierig nach den Ursachen zu forschen.
Unvermeidbare Fehler
Unvermeidbare Fehler passieren notwendigerweise in komplexen und unübersichtlichen Situationen, die eben nie vollständig kontrollierbar sind. Auch hier gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder man lernt aus diesen Fehlern oder es werden Schuldige gesucht. Letzteres ist geradezu zwingend in Null-Fehler-Organisationen, in denen es per Definition keine Fehler geben darf. Passieren sie doch, können es nur vermeidbare Fehler gewesen sein. Den ertappten Schuldigen werden dann einfach Überforderung oder Desinteresse attestiert. Das ist fatal, weil es die in komplexen und unübersichtlichen Situationen so dringend benötigte Bereitschaft zu lernen, schwinden lässt. Stattdessen macht sich die Angst vor Fehlern breit, das limbische System feuert auf Hochtouren und die Quote vertuschter vermeidbarer Fehler steigt sogar weiter an.
Intelligente Fehler
Aus diesem Kreislauf negativer Selbstverstärkung hilft nur der Mut zu intelligenten Fehlern heraus. Diese werden absichtlich gemacht. Es gilt, vorsichtig Hypothesen und Prognosen über bislang Unbekanntes aufzustellen (das können durchaus auch die blinden Flecken der eigenen defensiven Routinen sein) und in behutsamen Echtzeitexperimenten zu überprüfen. Einzige Voraussetzung: nie alles auf eine Karte setzen. Intelligente Fehler sollten das eigene Überleben schlicht nicht gefährden. Dann sind sie für die Entwicklung einer Gelingenskultur ebenso wichtig wie für Hochzuverlässigkeitsorganisationen. Doch worauf kommt es denn nun beim Lernen aus Fehlern und beim Experimentieren in Komplexität genau an? Mehr dazu hier.
Blogbeitrag: Auf dem Weg zu einer Gelingenskultur