"Führen Sie nicht mehr Recruiting-, sondern mehr Bleibe-Gespräche."
- Mag. Bernhard Dworak
Sie fragen sich, wie Sie Ihrem Personalmangel und/oder der Fluktuation wirksam begegnen können? – Schaffen Sie Perspektiven für Ihre Mitarbeitenden, so der Tipp des HR-Profis Bernhard Dworak. Setzen Sie dabei am besten auf Persönlichkeitstests und verbinden Sie diese mit begleitenden Personalentwicklungsmaßnahmen. Damit finden Sie nicht nur passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern halten diese auch.
Seien wir doch ehrlich: Viele Personalabteilungen schaffen es derzeit nicht, geeignete Bewerbende in ausreichender Zahl zu finden. Aber ist es fair, eine einzige Abteilung für diese Misere verantwortlich zu machen? Vorausdenkende Unternehmen haben erkannt, dass Personalbeschaffung und Personalentwicklung nicht allein das Thema der Personalabteilung, sondern wichtige Aufgaben für das gesamte Unternehmen geworden sind. Laut einer aktuellen Studie (Anfang 2022 vom Meinungsforschungsinstitut Forsa) denken 37 % der Erwerbstätigen in Deutschland über einen Jobwechsel nach. Das sind 4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen ist die Wechselbereitschaft am höchsten. Hier wäre jede zweite Person zu einer Veränderung bereit. Wenn Sie also den Personalmangel mit voller Härte spüren, sollten Sie sich schnellstens Gedanken darüber machen, wie Sie zu neuen Mitarbeitenden kommen und vor allem: wie Sie diese auch im Unternehmen halten.
Ich möchte Ihnen einen Vergleich vorschlagen, der auf den ersten Blick respektlos erscheinen mag. Aber bitte glauben Sie mir, so ist er keinesfalls gemeint. Als Bild verwende ich einen Gebrauchtwagen. Ich vergleiche jede Person (auch mich selbst) mit einem solchen Fahrzeug. Wenn Sie einen Gebrauchtwagen kaufen, dann werden Sie nicht nur anhand der Farbe entscheiden, sondern einen gründlichen Ankaufstest durchführen. Im Personalbereich bedeutet das den Einsatz personaldiagnostischer Instrumente. Nach dem Kauf geht es dann darum, den Wagen mit Treibstoff zu versorgen und sorgsam zu pflegen, damit Sie möglichst lange von Ihrem Kauf profitieren können. Als Treibstoff und Pflege kann man im Unternehmenskontext zum Beispiel Weiterbildungen – fachliche und persönlichkeitsfördernde – verstehen. Denn ein Hauptgrund für Fluktuation ist die fehlende Aussicht auf Entwicklung. Je mehr Sie in die Entwicklung Ihrer Mitarbeitenden investieren, desto besser können sie ihr Potenzial entfalten. Mein grundsätzlicher Ratschlag: Führen Sie nicht mehr Recruiting-, sondern mehr Bleibe-Gespräche. Die Entscheidung, eine Führungskraft zu sein, ist die Entscheidung, sich um die Menschen in der persönlichen Umgebung kümmern zu wollen.
Es ist die Aufgabe von Unternehmen, dafür zu sorgen, dass es Perspektiven gibt. Hier können Personalentwicklungsmaßnahmen sehr gut unterstützen. Diese müssen aber in ein Konzept eingebettet sein. Oft werden Persönlichkeitsanalysen eingesetzt, und das ist ein erster wichtiger Schritt, aber ohne begleitende Maßnahmen nicht sehr nachhaltig. Wie es auch anders geht, erfahre ich gerade in einem Projekt mit einem Unternehmen. Dieses hat ein Programm entwickelt, das Persönlichkeitsanalyse und Personalentwicklung verbindet. Gemeinsam mit verschiedenen Abteilungen und Führungsebenen wurden Jobprofile für unterschiedliche Führungspositionen entwickelt. Diese definieren das gewünschte Maß an Eigenschaften wie Resilienz, Mitarbeiter- und Kundenorientierung, Leadership, Performance, Agilität und Verantwortung. Viele Unternehmen verfügen ebenfalls über solche Leitbilder, hoffen jedoch, dass sich nach deren Definition der Rest von allein entwickelt.
In diesem Projekt geht man aber einen (logischen) Schritt weiter. Mitarbeitende machen eine Persönlichkeitsanalyse und das Ergebnis wird mit dem jeweiligen Anforderungsprofil abgeglichen. Je nach Ergebnis werden – transparent und wertschätzend – mögliche Entwicklungsschritte abgeleitet. Die Analyse bildet also den Startpunkt eines Lernpfades und wird nach einer bestimmten Zeit wiederholt, um zu überprüfen, welche Fortschritte gemacht wurden. Es handelt sich um einen dynamischen Prozess, der auch nach der zweiten Analyse nicht zu Ende ist. Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich auf jede Funktion, nicht nur auf Führungspositionen, anwendbar.
Je mehr Sie sich um die "Gebrauchtwagen" in Ihrem Unternehmen kümmern, desto länger bleiben sie mobil. Das richtet sich wie gesagt nicht nur an die Personalabteilung. Es ist die Aufgabe aller Führungskräfte und aller Personen im Unternehmen, Entwicklung voranzutreiben – und sich zumindest um die eigene aktiv zu bemühen.