Leadership Magazin
Der Hernsteiner 1/2022 widmet sich dem Thema "Employee Experience". Wie berühren wir ein Unternehmen? Machen uns Illusionen zu besseren Menschen? Warum brauchen wir mehr Bleibe-Gespräche? Und wie machtvoll ist die Ohnmacht?
Eine schlechte Employee Experience kann viele negative Folgen haben. Im schlimmsten Fall führt sie zur inneren Kündigung der Mitarbeitenden, warnt Harald Schmid, Berater für Trennungsmanagement. Erschwerend kommt hinzu, dass das hybride Arbeiten die Fluktuation noch in die Höhe treiben wird. Erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft hier aktiv gegensteuern können, um Ihr Team erfolgreich an Ihr Unternehmen zu binden.
Herr Schmid, was muss in der Employee Experience falsch laufen, damit eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt?
Harald Schmid: Grundsätzlich ist der Abgang von Mitarbeitenden etwas ganz Natürliches. Nicht jede Person ist die richtige für das Unternehmen und umgekehrt. Es ist wie mit Beziehungen im privaten Bereich – manchmal kommt man nach einiger Zeit drauf, dass es nicht passt. Wenn sich die Kündigungen jedoch häufen, ist das in der Regel ein Alarmsignal. Es ist ein Zeichen dafür, dass im Team etwas nicht in Ordnung ist. Und wenn es im Team nicht rundläuft, liegt das auch in der Verantwortung der Führungskraft.
Was kann so schlimm sein, dass man den Job hinschmeißt?
Wirklich schlimm wird es, wenn es einerseits ein Problem gibt – wenn ich etwa mit meiner Aufgabe nicht glücklich bin, es Streitereien mit Kolleginnen oder Kollegen gibt oder die Führungskraft mich nicht wertschätzt – und ich andererseits das Gefühl der Perspektivenlosigkeit habe, den Eindruck, dass sich am Problem nichts ändern wird. Dieses Ohnmachtsgefühl führt je nach Persönlichkeit dazu, dass man das Unternehmen verlässt oder sich in die innere Kündigung zurückzieht. Letzteres ist das Worst-Case-Szenario. In einer privaten Beziehung entspricht das der Haltung: Wir lieben uns nicht mehr, bleiben aber trotzdem zusammen und leiden gemeinsam weiter. Das kann krank machen.
Dann wäre es besser, wenn man kündigt?
Ja, aber manchmal ist man auf das Einkommen angewiesen. Dann wäre es für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin wichtig, sich einzugestehen, dass man sich selbst fürs Bleiben entscheidet – eben weil es auch positive Aspekte wie das regelmäßige Gehalt oder attraktive Arbeitszeiten gibt. Wenn man hingegen in die Opferrolle kommt, ist das destruktiv für die eigene Psyche. Das wirkt sich auch negativ auf das Team und in der Folge auf den Erfolg des Unternehmens aus.
Welche Rolle spielt die Führungskraft in der Employee Experience?
Die Führungskraft ist der Schlüssel zum Erfolg, weil sie letztlich für alles verantwortlich ist und dafür auch entsprechend bezahlt wird. Wenn es Streit im Team gibt, sollte die Führungskraft zu einer Lösung beitragen. Genauso ist sie gefordert, wenn jemand mit seinem Aufgabenbereich unglücklich ist. Alles steht und fällt mit der unmittelbaren Führung. Das wichtigste Tool dabei klingt simpel: Kommunikation. Wie miteinander kommuniziert wird, ob und wann Dinge angesprochen werden und ob dies wertschätzend geschieht, macht den entscheidenden Unterschied. Das hängt mit der Reflexionsfähigkeit und der Empathie der Führungskraft zusammen, mit ihrer Fähigkeit, über ihr Verhalten nachzudenken, und ihrem Gespür für andere. Manchmal scheitert es allerdings auch schlicht daran, dass die Führungskraft zu wenig Zeit hat.
Muten Sie der Führungskraft nicht etwas viel zu?
Sie ist der wichtigste Faktor, aber letztlich entsteht die Employee Experience aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren: Die Mitarbeitenden haben die Verantwortung, etwaige Probleme rechtzeitig zur Sprache zu bringen und sich konstruktiv bei der Lösungssuche einzubringen. Die Unternehmenskultur hat auch einen großen Einfluss darauf, wie miteinander umgegangen wird. Die Prozesse und Strukturen im Unternehmen spielen eine Rolle dabei, ob die Führungskraft ausreichend Ressourcen und Zeit hat, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
In den USA spricht man seit vergangenem Jahr von der "Great Resignation": Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kündigen in großer Zahl ihre Jobs. Merken Sie das auch in Österreich?
Laut Umfragen nimmt die Wechselbereitschaft zumindest in Deutschland tatsächlich zu. Allerdings haben Personalberaterinnen und -berater schon vor der Covid-19-Pandemie beobachtet, dass der Job für immer mehr Menschen nicht mehr das Wichtigste ist, dass öfter Teilzeitpositionen gewünscht werden. Ich glaube, dass das hybride Arbeiten – wenn zumindest ein Teil der Arbeitszeit im Homeoffice verbracht wird – die Bindung ans Unternehmen deutlich reduzieren und in der Folge die Fluktuation erhöhen wird. Da kommt auf uns noch einiges zu. Die Unternehmen müssen sich für die Präsenzphasen etwas überlegen, um das Commitment zur Organisation zu stabilisieren. Auch hier haben die Führungskräfte wieder eine besondere Verantwortung.