Fühlen sich die Mitarbeitenden als wirksamer Teil eines Unternehmens, erhöht das ihre psychische Gesundheit. Das wiederum führt zu mehr Leistung, sagt Bardia Monshi, Gründer des Instituts für Vitalpsychologie. Wichtig dabei: eine Kultur der Wertschätzung zu etablieren, die hilft, auch in der Krise im Dialog zu bleiben und alle Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.
Herr Monshi, Sie sind unter anderem Experte für psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Wie hat sich die Pandemie in dieser Hinsicht ausgewirkt?
Bardia Monshi: Jede Krise, und daher auch die Pandemie, bringt wie ein Vergrößerungsglas Sollbruchstellen zum Vorschein. So sind in vielen Unternehmen Ungleichgewichte in der Arbeitsbelastung deutlich geworden. Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren extrem überlastet, andere – etwa im Vertrieb oder im Veranstaltungsbereich – waren unterfordert.
Was hat zu der größeren Belastung geführt?
Ein Umstand, der Menschen extrem belastet, ist Monotonie. Die Arbeit im Homeoffice war sehr gleichförmig, ein bisschen wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Wenn man dreimal am Tag die gleiche Speise isst, entsteht eine wahnsinnige Übersättigung. Dazu kam die Gemengelage aus Homeoffice, den Kindern im Homeschooling, dem ebenfalls daheim arbeitenden Partner bzw. der Partnerin – da war zu viel in einem Raum. Das bringt auch persönliche Sollbruchstellen zutage. Wenn es vorher Probleme in der Partnerschaft gab, so haben die sich verschärft. Wer vorher psychisch bereits stark belastet war, ist jetzt ins Burn-out oder in einen Nervenzusammenbruch gerutscht.
Wie können Unternehmen auf so eine Situation reagieren?
Der wichtigste Faktor, um gut durch eine Krise zu kommen, ist die gute Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre Teams und ihre Unternehmen. Das Gefühl von Wertschätzung und Verbundenheit ermöglicht die Zusammenarbeit über die Distanz hinweg. Es ist auch das wichtigste Mittel gegen Stress. Denn der Entzug sozialer Nähe macht krank, schwächt das Immunsystem, reduziert die Lebensdauer. Die soziale Eingebundenheit beeinflusst die Gesundheit stärker als der Cholesterinspiegel. Nicht ohne Grund ist Einzelhaft eine besonders schlimme Form der Bestrafung. Wenn im Homeoffice das Gefühl der Gemeinschaft fehlt, bricht die Leistungsfähigkeit völlig ein. Das Problem ist jedoch: Die Vorbereitung auf eine Krise findet immer vorher statt. Nur wer schon früher auf eine Kultur der Wertschätzung im Unternehmen geachtet hat, kann auch in einer Pandemie authentisch miteinander im Dialog bleiben. In der Krise wurden die Soft Facts zu Hard Facts, wurden also entscheidend für den Erfolg von Teams und Unternehmen.
Zumindest für die nächste Krise sollte man also auf eine Kultur der Wertschätzung im Unternehmen achten. Wie kann das gelingen?
Viele assoziieren mit Wertschätzung, dass man nett miteinander umgehen sollte. Darum geht es aber nicht so sehr. Man fühlt sich viel mehr werteschätzt, wenn man bemerkt, dass man wirksam ist, dass man ein wichtiger Teil der Gruppe ist. Die Formel lautet: Wertschätzung durch Wertschöpfung. Wenn die Belegschaft in einem Unternehmen das Gefühl hat, dass es an Wertschätzung mangelt, sollte man also die Frage stellen: Warum haben wir aus dem Blick verloren, welche Aufgabe wir gemeinsam zu bewältigen haben? Diese gemeinsame Aufgabe bringt wichtige Nebenwirkungen hervor, nämlich die Gefühle von Selbstwirksamkeit und sozialer Verbundenheit. Und das sind die 2 wichtigsten Faktoren sowohl für psychische Resilienz als auch für hohe Leistungsfähigkeit in Teams.
Für das Jahr 2020 zeichnet sich trotz Pandemie ein deutlicher Rückgang der Krankenstände ab. Wie erklären Sie sich das?
Das könnte daran liegen, dass durch die zahlreichen Hygienemaßnahmen andere Infektionskrankheiten – etwa grippale Infekte – zurückgegangen sind. Ich vermute aber auch, dass im Homeoffice viele trotz Krankheit gearbeitet haben, da sie ohnehin daheim waren. Eine Rolle könnte auch gespielt haben, dass viele Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes hatten. Das reduziert für gewöhnlich die Krankenstandstage.
In Zukunft könnten viel mehr Menschen als vor der Pandemie zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten. Was bedeutet das für die psychische Gesundheit?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in so einer Situation stärker gefordert, sich selbst zu führen – Entscheidungen zu treffen, wann und wie sie arbeiten. Auf der anderen Seite sind Organisationen gefordert, die notwendigen Freiräume zu ermöglichen und nicht auf dümmlichen, starren Mustern zu bestehen. Sogenannte weiche Faktoren wie sozial und emotional intelligente Führung werden noch wichtiger. Insgesamt sehe ich im hybriden Arbeiten eine Riesenchance für mehr psychische Gesundheit. Denn die Wiederholung des Immergleichen belastet uns. Menschen brauchen das Wechselspiel!
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