Sie möchten Ihre Emotionen und Reaktionen klug steuern? Dann nutzen Sie die Erkenntnisse der Hirnforschung, so der Tipp von Hernstein Trainerin Monika Herbstrith-Lappe. Diese helfen Ihnen dabei, kritischen Situationen, die Stress oder Angst hervorrufen, souverän zu begegnen und Ihre Gefühle in die richtige Richtung zu lenken. – Zum Beispiel mit Reflexion, Humor und Perspektivenwechsel als den wesentlichen Stressstoßdämpfern.
Unser Hirn ist evolutionär für das Überleben des Rudels in der Steppe optimiert. Ununterbrochen checkt es für uns das Umfeld und vergleicht es mit dem episodischen Gedächtnis: Womit habe ich gute oder schlechte Erfahrungen gemacht und was heißt das für mein unmittelbares Reagieren? Unbekanntes, Ungewissheit und Unklarheit machen diesen Abgleich unmöglich. Darum sind sie mit einem höheren Stresslevel verbunden als erkannte Gefahren. In Anbetracht unserer brüchigen Welt ist es kein Wunder, dass vermehrt Ängste und Aggressionen auftreten. Es zahlt sich jedoch aus, den Mut aufzubringen, uns den Ängsten zu stellen und diese zu überwinden.
Emotionen bringen uns in Bewegung
Emotionen sind körperliche Affekte. Wir können sie uns nicht aussuchen. Wenn wir verstehen, wie unser Hirn tickt, können wir unsere Emotionen und Reaktionen jedoch klug steuern. Zwischen dem Wahrnehmen von Stressoren und unserer körperlichen Reaktion – beginnend im Hirn – liegt ein gestaltbares Fenster, in dem wir zwischen Stressverstärkern und Stressstoßdämpfern wählen können. Selbstwirksamkeit und Self-Leadership – die Grundvoraussetzungen für Leadership – sind wichtiger denn je.
Unser denkender Vorderkopf, der Präfrontale Cortex, erkennt mehr oder weniger gut, was vernünftig ist. Er will zukünftiges Bereuen vermeiden und bewirkt die Impuls-Kontrolle und den Belohnungsaufschub. Der Orbitofrontale Cortex wiederum, das über den Augenhöhlen liegende Areal, macht uns zu sozialen Wesen. Hier bewerten wir, was mit unserer Moral und unserem Gewissen vereinbar ist. Die bewussten Hirnregionen des Präfrontalen und Orbitofrontalen Cortex haben allerdings keinen direkten Zugriff auf die motorischen Zentren, die wir von der Mimik, über die Sprache und Gestik bis zum Handeln brauchen. Ob wir Bewegungen ausführen oder auch nicht, entscheiden die unter der Großhirnrinde liegenden, unbewussten Hirnregionen. So brauchen wir die Basalganglien beispielsweise, um in die Gänge zu kommen, denn sie steuern unsere Bewegungszentren. Sie greifen dazu auf unser episodisches Gedächtnis zurück, um unser Verhalten zwischen Vorsicht und Zuversicht zu optimieren.
Auch einige Neurotransmitter, also Botenstoffe, sind bei der Regulierung unserer Emotionen beteiligt:
- Dopamin ist der Neuromodulator der Vorfreude auf die Belohnung, dem guten Gefühl, wenn wir es geschafft haben werden. Es ist der Stoff, aus dem die Motivation gestrickt ist.
- Bei schmerzlichen oder enttäuschenden Erfahrungen schüttet die Amygdala Cortisol aus, das zu Stressempfinden führt.
- Serotonin macht uns zufrieden, entspannt und gelassen. Es dient insbesondere auch dazu, dass wir uns nach einem stressigen Erlebnis wieder beruhigen.
- Oxytocin wird bei vertrauensvollen, fürsorglichen Beziehungen ausgeschüttet. Ein wichtiger Stressstoßdämpfer ist, wenn es Menschen gibt, auf die wir uns "blind" verlassen können. Und Oxytocin macht uns risikofreudiger.
Angst und Ärger als Impulsgeber
Im Fürchten sind wir tierisch gut. Diese intensive Emotion signalisiert Gefahr und löst daher Fluchtimpulse aus. Der Grundsatz lautet: "Better safe than sorry". Lieber einmal zu viel gefürchtet als tot. Deshalb können wir im Stress auch nicht mehr zwischen einem Haar in der Suppe und dem Messer am Skalp unterscheiden. Der Serotoninspiegel sinkt. Serotonin ist der Neurotransmitter, der uns ausgeglichener macht. Weniger Serotonin bewirkt, dass wir uns intensiver fürchten und dann schneller fliehen oder wütender sind und dadurch entschlossener kämpfen.
Da weder Flucht noch Kämpfen oder Totstellen geeignete Lösungsstrategien im Business darstellen, braucht es bewusstes Gegensteuern. Angst und Ärger sind schlechte Ratgeber. Sie sind jedoch wertvolle Impulsgeber. So wie mich der Schmerz dazu animiert, die Finger möglichst rasch von der heißen Herdplatte zu ziehen und nie wieder hinzugreifen, bewirken Angst und Ärger erhöhte Aufmerksamkeit auf Gefahren und Feinde. Zwischen dem Auslöser und unserem Handeln braucht es Reflexion.
Kritische Situationen entkatastrophisieren
Im Stress sehen wir aufgrund des niedrigen Serotoninspiegels alles viel dramatischer. So mancher Goldfisch mit Haiflosse wird dann mit einem Hai verwechselt. Da zahlt es sich aus, genauer hinzusehen. Einer der mächtigsten Stressstoßdämpfer ist Humor. Tatsächlich geht die Evolutionspsychologie davon aus, dass sich in der Evolution das Lachen schon bei den Primaten als Stressventil bewährt hat.
Eine andere Möglichkeit, sich Distanz zum Problem zu verschaffen, ist der Perspektivenwechsel: "Wenn das nicht mir, sondern meiner Freundin bzw. meinem Freund passiert wäre: Was würde ich ihr oder ihm empfehlen?" Wirksame stressmindernde Gedanken sind auch: "Was kann schlimmstenfalls passieren?", "Was habe ich schon bisher geschafft?", "Welche Stärken von mir haben sich dabei bewährt?" und "Wie könnte ich diese Stärken auch jetzt nutzen?"
Mit Chancenintelligenz Möglichkeiten mehren
Stress erzeugt zudem einen Tunnelblick und wir fixieren nur mehr den Widerpart. Doch statt sich in dem zu verbeißen, was NICHT möglich ist, ist es viel klüger sich umzusehen, welche Alternativen es noch gibt. Dazu brauchen wir Kreativität. Diese ist im Stressmodus deaktiviert, darum ist es so entscheidend, dass wir zunächst mit Reflexion, Zuversicht und Humor die Autoregulation "Raus aus dem Stress" aktivieren. Gerade bei sehr eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten ist daher die Frage sehr nützlich: "Welche von den verbliebenen Optionen ist die beste?" oder "Welche Chancen erkenne ich und wie kann ich sie nutzen?".
Eine andere Perspektive verspricht auch "WIDEG", ein Akronym von Andreas Ackermann: "Wofür Ist Das Eine Gelegenheit?". Probieren Sie es aus, wenn Sie das nächste Mal mit einer herausfordernden Situation konfrontiert sind. Alles Gute!
13. - 14.11.2023
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