Design Thinking trifft Human Resources
Traditionelle HR-Lösungen sind typischerweise Programme und Prozesse rund um Recruiting, Mitarbeiterentwicklung, Leistungsbeurteilung, Arbeitspraktiken und Compliance. Die meisten beruhen auf Formularen und Workflows und sind sehr formell gehalten. Immer mehr Führungskräfte empfinden sie nicht immer als hilfreich, sondern manchmal sogar als Belastung. HR-Expertinnen und HR-Experten können das nicht nachvollziehen, haben sie doch viel Fachwissen in die Entwicklung der Instrumente gesteckt und Benchmarking mit HR-Kolleginnen und HR-Kollegen betrieben.
Schonungslos hinterfragen
Warum ist das so? Diese Frage sollten Sie sich als HR-Verantwortliche oder HR-Verantwortlicher stellen. Oder besser gesagt: Diese Frage sollen Sie den Nutzerinnen und Nutzern Ihrer HR-Lösungen stellen, also Mitarbeitenden und Führungskräften. Und wenn wir von Nutzerinnen und Nutzern sprechen, dann ist es zu UX, der User Experience oder dem Nutzererlebnis, nicht weit. Um mehr über UX zu erfahren, werfen Sie am besten einen Blick auf die Produkt- und Serviceentwickler und -entwicklerinnen. Im digitalen Bereich rückt das Kundenerlebnis immer mehr in den Mittelpunkt. Sie können heute mit einem Mausklick den Anbieter wechseln und sind nicht so wie früher auf das lokale Angebot beschränkt. Daher werden Produkte und Dienstleistungen konsequenter auf die Bedürfnisse und damit den Nutzen von Kundinnen und Kunden ausgerichtet. Mitarbeitende und Führungskräfte wechseln zwar nicht unbedingt den internen HR-Anbieter. Sie können aber „ausweichen“ und dadurch verlieren die gut geplanten Instrumente an Wirksamkeit. Ein Beispiel gefällig? Das traditionelle Mitarbeitergespräch wird oft als wenig sinnvoll erachtet, eher halbherzig geführt und die Dokumentation als Pflichtübung gesehen.
Vom Prozessentwickler zum Lösungsarchitekten
Warum also nicht den UX-Ansatz für die eigene HR-Arbeit nutzen? Sie können dadurch Ihren Kompetenzbereich ausdehnen: von der Prozessentwicklung hin zur Lösungsarchitektur. Was so einfach klingt, bedeutet aber in der Umsetzung neben Methodenkompetenz vor allem ein Umdenken oder besser gesagt ein Neudenken. Ein möglicher Anfang: Nehmen Sie beim Design Anleihe und nutzen Sie Design Thinking für sich. Seien Sie jedoch gewarnt: Wenn Sie beginnen, Lösungen für vordringliche HR-Herausforderungen mit dieser Innovationsmethode zu entwickeln, kann es sein, dass Sie dabei eine ganz neue Form des Arbeitens entdecken. Gelungenes Design Thinking verlangt von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen oder gar aus anderen Unternehmen in die Arbeitsteams zu holen; Ihre Stakeholder und Nutzerinnen und Nutzer ganz gezielt in den Design-Thinking-Prozess miteinzubeziehen, vor allem in Form von Interviews und Tests; keine Scheu vor ergebnisoffenen Prozessen und Iterationen zu zeigen; im flexiblen Raum zu arbeiten und allzu bequeme Sitzmöbel nur für die Pausen zu nutzen; die Ideen und Ergebnisse nicht in den Workshops „versauern“ zu lassen, sondern konsequent zur Umsetzung zu bringen; nicht alles unkritisch zu übernehmen, was über Design Thinking gesagt wird, sondern sich selbst ein Bild zu machen.
Don’t think! Just do!
Wie können Sie sich nun Design Thinking in der Anwendung vorstellen? Sie starten mit einer Leitfrage, der Design Challenge. Diese beschreibt das Problem, für das Sie Lösungen suchen. Wichtig dabei: keine impliziten Lösungen einbauen, sondern die Frage weit genug fassen. Denn sonst versperren Sie sich den Zugang zu wirklich innovativen Ideen. Danach tauchen Sie mit Ihrem interdisziplinären und möglichst diversen Team in die Nutzerwelt ein, versuchen zu verstehen, beobachten und ziehen Schlüsse daraus. Sie arbeiten dabei ganz persönlich, ja fast hautnah mit Ihren Nutzerinnen und Nutzern. In der Ideenphase gibt es praktisch keine Tabus. Jeder noch so radikale Vorschlag ist willkommen. Beim Prototyping denken Sie mit den Händen und bauen Ihre Ideen im wahrsten Sinne des Wortes nach. Diese werden von den Nutzerinnen und Nutzern in der nächsten Phase schonungslos getestet. Mit dem Feedback aus diesen Testläufen gehen Sie mit Ihrem Team ins Redesign. Manchmal gibt es dabei Rückschläge, eine Idee wird komplett verworfen oder zurückgestellt. Das Beste dabei: Das ist durchaus erwünscht. Nur wenn Sie wirklich nutzerzentriert arbeiten, entstehen produktive, brauchbare und nachhaltige Lösungen. Übrigens: Design Thinking wird auch „The Human Centered Approach“ genannt. Fast könnte man sagen: Wie gemacht für Human Resources. Und noch was: Der Name Design Thinking ist irreführend. Denn es geht hier vielmehr ums Tun. Also: einfach anfangen, z. B. in einem unserer Kurzworkshops.
Dieser Artikel ist im Juni-Newsletter von Lee Hecht Harrison erschienen.