Clear Leadership und Clear Partnership
Klarheit in der menschlichen Wahrnehmung führt zu besserer Kommunikation und damit zu besseren Ergebnissen.
Der Erfahrungswürfel oder Experience Cube von Gervase Bushe, dem kanadischen Gruppendynamik-Experten und Universitätsprofessor, ist ein Modell, das helfen kann, menschliche Wahrnehmung besser zu verstehen. Es unterscheidet zwischen vier Aspekten:
- Wir beobachten etwas, nehmen es also durch einen unserer Sinne wahr.
- Wir denken uns etwas dazu.
- Wir fühlen etwas dabei.
- Wir verbinden in aller Regel auch ein Wollen damit, auch wenn es manchmal unspezifisch bleibt.
Diese vier Aspekte sind prinzipiell immer verfügbar, aber nicht in jedem Moment bewusst.

Wir Menschen machen uns einen Reim auf die Welt, in der wir uns bewegen …
Wir Menschen können nicht anders, als unsere Beobachtungen und unser Erleben mit Sinn und Bedeutung anzureichern. Praktisch immer ergänzen wir Geschichten, die für uns unvollständig sind, mit eigenen Erfahrungen. Damit das, was eine andere Person sagt oder tut, für uns Sinn ergibt, produzieren wir eine Geschichte darüber, was diese andere Person 1. wahrnimmt, 2. denkt, 3. fühlt und 4. will. Bushe sagt dazu, wir produzieren eine Geschichte über den Erfahrungswürfel der anderen Person.
… und verhalten und entscheiden uns auf Basis des Reims
Sehr häufig überprüfen Menschen diese ergänzten Geschichten nicht; sie gehen davon aus, dass sie so stimmen, wie sie selbst sie sehen. Oft genug haben die Geschichten wenig mit dem zu tun, wie die Person sich selbst und ihr Erleben darstellen würde. Solange wir dies aber nicht tun, bewegen wir uns im zwischenmenschlichen Nebel. Bushe nennt diesen Nebel Interpersonal Mush und fordert zu Interpersonal Clarity auf. Klarheit zwischen Menschen entsteht nur, wenn die Personen, die miteinander kommunizieren, sich ihrer jeweils eigenen Erfahrungen bewusst werden und miteinander reden. Dann entsteht Klarheit darüber, wer was erlebt und erfahren hat. Oder mit anderen Worten: Beide kennen den eigenen und den anderen Erfahrungswürfel, weil sie einander gefragt und ihre Erfahrung mitgeteilt haben: Was Person A und Person B 1. wahrnehmen, 2. darüber denken, 3. fühlen und 4. in diesem Zusammenhang wollen.
Was bewirkt Interpersonal Mush in Organisationen?
- Enttäuschte Erwartungen führen zu Zynismus und zu reduziertem Dialog. Die Folge davon sind Fragmentierung und Subkulturbildung.
- Führungskräfte sehen die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht. Das Entstehen von organisationalem Unbewussten wird begünstigt.
- Entscheidungen werden schwach oder gar nicht umgesetzt. Das führt zu Inkonsequenz und unerledigten Aufgaben.
- Problemerhaltende Muster verfestigen sich, weil Teams und Gruppen nicht gemeinsam aus ihren Erfahrungen lernen.
- Einzelne und auch Teams sehen sich als Opfer der Verhältnisse, nicht als Gestalterinnen und Gestalter von Veränderung. Häufige Konsequenz sind Belastungsstörungen.
Zwei große Feinde zwischenmenschlicher Klarheit: Verschmelzung und Abschottung.
- Verschmelzung passiert, wenn einer einen anderen für die eigenen Erfahrungen verantwortlich macht bzw. sich für die des anderen verantwortlich fühlt.
- Abschottung heißt, dass Menschen nicht über ihre Wirkung auf andere nachdenken oder diesen Aspekt in ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Selbst-Differenzierung ist nach Bushe die Fähigkeit, in Beziehungen zur selben Zeit verbunden, aber auch abgegrenzt zu sein, also die richtige Mitte zu finden und halten zu können. Für Bushe ist dies eine der wichtigsten zwischenmenschlichen Fähigkeiten.
Die wesentlichen Qualitäten einer (selbst-)differenzierten Führungskraft
- Sie besitzt Klarheit und Bewusstheit in Bezug auf eigene Erfahrungen und eigenes Erleben, besitzt also Klarheit hinsichtlich des Erfahrungswürfels.
- Sie kann die eigenen Erfahrungen auf eine verstehbare Weise beschreiben.
- Sie ist neugierig in Hinblick auf Erfahrungen und das Erleben anderer.
- Sie kennt den Unterschied zwischen der sogenannten Wahrheit und den eigenen mentalen Landkarten und sie klammert sich nicht an diese, sondern kann sich mit anderen offen über die eigenen und fremden mentalen Landkarten austauschen. Sie ist auch offen für die Erkenntnis, dass Landkarten anderer möglicherweise nützlicher sind als die eigenen.
- Sie kennt die eigenen Kompetenzen sowie deren Grenzen und kann andere wie z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Kolleginnen und Kollegen in Entscheidungen einbinden.
Vorteile der Klarheit im Führungsalltag
- Menschen, die sich im Hier und Jetzt offen begegnen, verhindern, dass Probleme aus den Geschichten über sich und andere entstehen.
- Durch das Begegnen im Hier und Jetzt entsteht Verbundenheit, die sich positiv auf die Zusammenarbeit auswirkt.
- Das Hier und Jetzt ist der einzige Ort, an dem Dinge zwischen Personen geklärt und gelöst werden können.
- Wenn zwei oder mehr Personen die Muster ihrer Zusammenarbeit untersuchen, können sie diese verwandeln. Gemeinsam fördern sie organisationales Lernen.
- Klare Sprache macht jedem und jeder Einzelnen die Unterschiede zwischen eigenen und fremden Erfahrungen und Erlebnissen klarer. Das befähigt zu Selbstverantwortung und erhöht die Entscheidungsmöglichkeiten in Bezug auf das eigene Erleben. Klarheit wirkt sich positiv auf die Beziehung und die Ergebnisse der Zusammenarbeit aus.