Leadership Magazin
Der Hernsteiner 2/2021 widmet sich dem Thema "Unternehmenskultur". Was ist der Sinn des Sinns? Und warum steht er bei manchen Pyramiden ganz oben? Was lässt Hochzeiten im Himmel scheitern? Und wie geht Unkultur?
Kann es auch zu viel an Agilität, zu viel Selbstbestimmung geben? Und wo sind die Grenzen? Wichtig ist wie Sie Agilität in Ihrem Unternehmen einführen, so Hernstein Trainerin Val Sedounik. Holen Sie sich im folgenden Interview Tipps wie Sie mit Problemen beim Shift zu Agilität und Selbstbestimmung vorgehen. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden auf dieser Lernreise.
Im Brennpunkt: Val Sedounik im Interview mit Gerhard Mészáros.
Frau Sedounik, Sie führen gerade in einem britischen Unternehmen ein agiles Mindset ein. Kann es auch zu viel Agilität, zu viel Flexibilität und Selbstbestimmung geben?
Val Sedounik: Die Menschen können sich tatsächlich überfordert fühlen. Das passiert vor allem dann, wenn die Führungskräfte nicht vorab klären, warum Agilität überhaupt relevant für das Unternehmen ist und was man damit erreichen will. Wenn ich einfach einen Berater hole und Veränderungen durchdrücke, die niemand versteht, werden diese Veränderungen zu einer Belastung. Dann zeigt sich die dunkle Seite der Agilität. Wichtig ist zudem: Wenn ich zu Selbstverantwortung anleite, muss ich auch die Leistungsbeurteilung anpassen. Satya Nadella hat es bei Microsoft vorgemacht: Belohnt wird nicht der Outcome, sondern das Bemühen. Es geht also darum, wie ich Agilität einführe – und auch in welchen Bereichen.
In welchen Unternehmensbereichen ist es denn nicht sinnvoll?
Wenn ich als Mitarbeiterin dazu aufgerufen bin, Selbstverantwortung zu übernehmen und mit neuen Ansätzen zu experimentieren, das aber in meiner Arbeit de facto nicht umsetzen kann, dann fühle ich mich ebenfalls überfordert. Ich brauche sowohl das Mindset und die Methoden als auch den Business Case, wo ich die Methoden sinnvoll anwenden kann. Es gibt Unternehmensbereiche, in denen Stabilität sehr wichtig ist, in denen ich bestimmten Prozessen genau folgen muss. Etwa im Bereich Governance, wo ein Regulator von außen genaue Vorgaben macht. Diese Parameter kann man nicht verrücken, daher gibt es auch keinen Raum, um iterativ neue Lösungen zu erarbeiten. Manche Teams müssen wiederum sehr reaktiv sein, etwa weil sie viele Kundenanfragen bekommen. Da gibt es wenig Raum für aktives, selbstbestimmtes Beschreiten neuer Wege.
Gibt es bestimmte Menschen, zum Beispiel ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit agilen Methoden weniger anfangen können?
Diese Frage höre ich oft. Viele stellen die alten Babyboomer den jungen, aufgeschlossenen Digital Natives gegenüber. Das ist jedoch ein Mythos. Die Lernfähigkeit nimmt mit dem Alter nicht ab. Wer älteren Menschen die Fähigkeit abspricht, Neues zu lernen und ihre Haltungen zu ändern, hat selbst ein bestimmtes Mindset – nämlich ein Fixed Mindset, das Probleme statt Chancen sieht. Ich kenne ein Unternehmen, das zu 2 Dritteln aus Babyboomern besteht und agil werden wollte. Es war sehr erfolgreich, weil es die Belegschaft mit auf die Reise genommen hat. Die Botschaft der Unternehmensleitung war: Wir laden euch ein, gemeinsam mit uns etwas Neues zu lernen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben mit ihren Führungskräften diskutiert, welche Unterstützung sie auf ihrer Lernreise benötigen, und diese Unterstützung dann auch bekommen. Lernen bedeutet heute schließlich etwas anderes als früher. Es geht nicht darum, dass jemand irgendeine Predigt hält, sondern um selbstbestimmtes, gemeinsames, stimulierendes Lernen.
Gibt es bestimmte Persönlichkeiten, die bei agilen Methoden nicht mitkommen?
Klar gibt es Leute, die einfach keine Lust auf Veränderung haben. In der Gestalttherapie sagt man, dass es 2 Prinzipien im Menschen gibt. Zum einen den Wunsch nach Stabilität, das Festhalten an dem, was da ist. Und zum anderen den Impuls zur Exploration, den Wunsch nach Neuem. Beide können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Eine wichtige Fähigkeit moderner Führungskräfte besteht darin, ihr Team zu kennen und herauszufinden, was ein Teammitglied möglicherweise daran hindert, sich weiterzuentwickeln. Manchmal sind viele Einzelgespräche nötig, bis man weiß, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen und welche Interventionen – zum Beispiel Weiterbildungen – notwendig sind. Als Grundregel gilt: Wenn ein Mensch das Gefühl hat, dass er gesehen, gehört und unterstützt wird, dann ist die Chance auf Veränderung und Wachstum sehr groß.